Deutsche Handwerks Zeitung | Der Münchner Vorlesefriseur: Diese Geschichte steckt dahinter

von | Apr 24, 2019

Wenn sie ihrem Friseur vorlesen, kostet der Schnitt im Salon nur noch die Hälfte. Das Konzept begeistert nicht nur Kinder und Eltern, inzwischen sind auch Verlage auf die Idee aufgesprungen. Wie es dazu kam und was man tun muss, um Vorlesefriseur zu werden.

Marketing – 24.04.2019

Friseur Danny Beuerbach schneidet einem Kind die Haare, während es ihm vorliest.
Vom Bilderbuch bis zum Kinderroman reicht die Bandbreite dessen, was Danny Beuerbachs kleine Kunden ihm vortragen. – © sonderargumente/Beuerbach

Soziales Engagement im Friseurhandwerk

Wenn Kinder zu Danny Beuerbach kommen, können sie die Kosten für ihren Haarschnitt selbst beeinflussen. Wenn sie ihrem Friseur vorlesen, kostet der Schnitt im Salon nur noch die Hälfte. Das Konzept begeistert nicht nur Kinder und Eltern, inzwischen sind auch Verlage auf die Idee aufgesprungen. Wie es dazu kam und was man tun muss, um Vorlesefriseur zu werden. Von Barbara Oberst

Wenn Kinder zu Danny Beuerbach kommen, müssen sie für ihren Haarschnitt etwas tun: Vorlesen! „Hinterher stiehlt sich oft ein zufriedenes Grinsen in die Gesichter der Kinder“, beobachtet Beuerbach. Sie sind stolz, dass sie vor Publikum gelesen haben.“

Für die Vorlesearbeit erlässt der Friseur und Cross-Art-Künstler seinen kleinen Kunden 50 Prozent des Preises, zumindest im Salon Haarwerk in München, wo er an vier Tagen die Woche als Freelancer arbeitet. An den restlichen drei Wochentagen schneidet Beuerbach weiter, in Büchereien, Bibliotheken, auf Festivals oder zuletzt auf der Leipziger Buchmesse. Und hier erlässt er den Kindern den Preis ganz.

Waschen, Schneiden, Lesen

Sein Motiv: „Ich will dazu beitragen, dass Kinder mehr lesen.“ Er selbst habe auf die harte Tour gelernt, dass Menschen, die schlecht lesen und schreiben, für dumm gehalten werden. „Rechtschreibfehler lenken vom Inhalt ab, und ich habe bis heute eine Rechtschreibschwäche.“ Also hat der Friseur seine eigene Form der Leseförderung ins Leben gerufen.

Das Konzept entstand aus einer spontanen Idee: „Ich hatte mir vorgenommen, mehr zu lesen, bin aber nicht dazu gekommen.“ Kurzerhand drückte er einem treuen Kunden sein abgegriffenes Exemplar von „Der Alchemist“ in die Hände und bat ihn, vorzulesen. Einen ganzen Tag lang wanderte das Buch von Hand zu Hand, während Beuerbach schnitt. Dann kam ihm der Gedanke, Kinderbücher mit zur Arbeit zu nehmen. Das Projekt „Book a look. Waschen, Schneiden, Lesen“ war entstanden.

Inzwischen sind mehrere Verlage auf den Friseur aufmerksam geworden. Ravensburger fördert das Projekt mit 300 Buchpaketen für Betriebe, die ebenfalls Vorlesefriseure werden möchten. „Aber mir ist klar, dass die Entwicklung zweischneidig ist“, gibt Beuerbach zu.

Sozial schwächere Kinder im Blick

Er fühle sich geehrt, Lesebotschafter zu sein, doch er wolle nicht nur Werbeträger für Verlage sein. Sein Ziel sind die Kinder. Deswegen gehe er gezielt in sozial schwächere Viertel, um die zu erreichen, bei denen daheim nicht viel gelesen werde. Dass die Rahmenbedingungen für ihn dadurch ständig wechseln, er kein Waschbecken und keinen Spiegel hat, stört ihn nicht. „Ich schneide schon immer gerne draußen.“

Über das Lesen gerate das Haareschneiden in den Hintergrund. Zwar spricht Beuerbach mit den Kindern über ihren Frisurenwunsch, aber eben auch über das Buch, das sie ausgewählt haben. Während des Vorlesens fragt er nach, wenn er etwas verpasst hat und nimmt den Kindern damit ihre Scheu. Selbst schlechte Leser hätten auf dem improvisierten Friseurstuhl den Mut, nicht nur für ihn, sondern auch für die anderen wartenden Kinder zu lesen.

Website und App geplant für mehr Vorlesefriseure

Aktuell baut Beuerbach eine Webseite für das Projekt auf, denn sein Ziel ist, dass sich die Idee der Vorlesefriseure ausbreitet. Dabei überlässt er es jedem Betrieb, selbst zu entscheiden, wie viel Rabatt er den Vorlesern einräumen will. Und obwohl er den sozialen Aspekt dieser Arbeit betont, sieht er auch einen wirtschaftlichen Vorteil: „Wenn die Eltern dieses Angebot sehen, kommen sie oft hinterher selbst zum Haareschneiden zu mir.“

Eine App soll in Zukunft auf die teilnehmenden Vorlesefriseure hinweisen. Doch die muss noch finanziert und programmiert werden. Die Chancen dafür stehen gut. Beuerbachs „Herzensprojekt“ hat sich inzwischen bis Australien herumgesprochen. 

Quelle: https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/der-muenchner-vorlesefriseur-diese-geschichte-steckt-dahinter/150/3099/387056