Dafür liest man doch gerne mal vor: für einen guten Haarschnitt. Danny Beuerbach verwandelt den Gasteig in einen Lese- und Frisiersalon.
Von Barbara Hordych
Die Idee kam ihm, als er selbst von einem Buch völlig gepackt war. „Ich las damals den ,Alchimisten‘ und ärgerte mich, wenn ich den Roman nicht weiterlesen konnte, weil ich zur Arbeit musste. Da dachte ich mir: Warum es mir nicht einfach von meinen Kunden vorlesen lassen?“, sagt Danny Beuerbach bei einem Treffen im Vorfeld des Literaturfests. Mittlerweile ist er als „Vorlesefriseur“ deutschlandweit, darüber hinaus in Wien und Zürich, unterwegs. Und berühmt für seine Aktion, in der er sich beim Haareschneiden von seinen Kunden vorlesen lässt – im Gegenzug erlässt er ihnen die Kosten für die neue Frisur zur Hälfte oder auch ganz.
Ein Konzept, das er in einem Münchner Frisiersalon sehr intim, also in einer Eins-zu-eins-Situation umsetzt. Oder, wie jetzt beim Literaturfest, in einer mehrstündigen Sitzung mit und für Kinder. „Meiner Erfahrung nach werden sogar die zappeligsten und ungeduldigsten Kinder mit einem Mal ganz ruhig und konzentriert, wenn sie beim Haareschneiden gleichzeitig aus einem Buch vorlesen.“ Das diene einmal der „Leseförderung“ des betreffenden Kindes, findet Beuerbach, erleichtere aber auch ihm seine Tätigkeit, „weil mich dann niemand mehr fragt: Wie lange dauert es noch, wann bist du fertig?“ Er selbst kommt aus einer Familie, in der kaum gelesen wurde, erzählt er. Trotzdem habe seine Mutter immer großes Interesse an ihm und seinen Erlebnissen gezeigt, wenn er aus der Schule kam und ihr von seinem Tag erzählte. „Kommunikativ und an Geschichten interessiert war ich also von klein auf. Nur das Lesen habe ich für mich erst später, so zwischen 15 und 20 Jahren, entdeckt“, sagt Beuerbach.
Mehr, als Interesse an Geschichten zu wecken, könne er mit seinen Vorleseaktionen für Kinder selbstverständlich nicht. Aber schon das liege ihm sehr am Herzen. Kinderbuchautoren und Verlage sind schon längst auf ihn aufmerksam geworden, decken ihn mittlerweile stapelweise mit Büchern ein. „Verlage haben sogar schon angefragt, was es koste, wenn ich aus ihren Büchern vorlese.“ Das lehnt er jedoch dankend ab. Nur über Freiexemplare freue er sich, denn da wisse er, an wen er sie weiterverschenken könne. Mit den Überschüssen, die ihm von seinen Liveacts in Bibliotheken und Buchhandlungen bleiben, finanziert er seine Auftritte in einkommensschwächeren Stadtteilen und Regionen.
Stolz ist er darauf, dieses Jahr der Jury für den landesweiten Vorlesewettbewerb in Bayern angehört zu haben. Später fuhr er auch mit zum Bundesentscheid in Berlin. „Dort habe ich den Kindern allerdings ausnahmsweise vor dem Wettbewerb die Haare hübsch gemacht, nicht erst beim Vorlesen“, sagt Beuerbach und lacht. Darunter war auch Anton Naab, der spätere Gewinner des deutschlandweiten Wettbewerbs, der einen dreiminütigen Auszug aus Nina Wegers Kinderbuch „Als mein Bruder ein Wal wurde“ vorlas. Im Nachhinein bekam er das Buch von den Organisatoren zugeschickt, damit er die Geschichte komplett lesen konnte. „Sie handelt von einem Jungen, dessen Bruder nach einem Unfall mit einem Schädel-Hirn-Trauma im Dä liegt. Letztendlich geht es um die Frage, wer eigentlich über Leben und Tod entscheidet.“ Wieder war es so, dass er von diesem Buch nicht lassen konnte, es bei Treffen mit Freunden sogar nebenbei am Tisch weiterlas, sagt Beuerbach. Vor dreizehn Jahren ist seine Mutter gestorben, auch sie lag kurze Zeit im Dämmerschlaf. „Die Geschichte hat bei mir nach all den Jahren einen Knoten gelöst, endlich konnte ich darüber sprechen, das ist dieses Wunder, das mit Büchern passieren kann.“
Liveact mit Friseur Danny, Samstag, 23. November, 11 bis 18 Uhr, Gasteig, Eintritt frei© SZ vom 07.11.2019
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/zur-buecherschau-haare-und-buch-schoen-1.4666098