Bücher lesen und zum Friseur gehen. Zwei Dinge, die die meisten Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren nicht ganz oben auf ihre Wunschliste setzen würden. Doch wie heißt es so schön? Minus mal Minus gibt Plus.
Danny mit den Scherenhänden findet die Magie
Die bewegende Geschichte des Vorlesefriseurs aus Grasbrunn
19.01.2020
„Wenn das Buch spannend ist, dauert der Haarschnitt ein bisschen länger“, verrät Vorlesefriseur Danny Beuerbach. Am Dienstag, 18. Februar, ist er zu Gast in der Bücherei Grasbrunn. Dort erhalten Kinder von ihm einen kostenlosen Haarschnitt, wenn sie ihm vorlesen.
Grasbrunn – Bücher lesen und zum Friseur gehen. Zwei Dinge, die die meisten Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren nicht ganz oben auf ihre Wunschliste setzen würden. Doch wie heißt es so schön? Minus mal Minus gibt Plus. Diese einfache Rechnung hat sich Friseur Danny Beuerbach zu eigen gemacht. Am Dienstag, 18. Februar, schneidet er ab 16 Uhr Kindern im Kulturcafé der Bücherei Grasbrunn professionell und kostenfrei die Haare, wenn sie ihm im Gegenzug dazu vorlesen. Termine können schon jetzt an der Ausleihtheke der Bücherei an der Leonhard-Stadler-Straße 12 vereinbart werden.
Doch wie entstand überhaupt die Idee, diese zwei Tätigkeiten zu verbinden? „Das Ganze ist viel eigennütziger als manche denken würden“, sagt Beuerbach. „Ich habe damit angefangen, mir in dem Salon, in dem ich arbeite, gegen Rabatt von meinen Kunden vorlesen zu lassen, weil ich mir selbst so wenig Zeit zum Lesen genommen habe. Irgendwann habe ich dann ein Kinderbuch mitgenommen. Als mir ein Kind daraus vorgelesen hat, ist irgendetwas Magisches passiert. Ich habe gespürt, dass da etwas Besonderes in der Luft liegt.“
Was auch immer das Besondere war: Beuerbach ist dran geblieben und hat die Idee „Schneiden gegen Vorlesen“ ausgeweitet. Mittlerweile schneidet er bei sämtlichen Veranstaltungen, in Büchereien, auf Büchermessen oder auch einfach mal an einer Bushaltestelle. Außerhalb des Salons ist der Haarschnitt immer kostenlos. Autoren unterstützen ihn, indem sie ihre Bücher vorlesen lassen. Und auch Verlage schicken ihm mittlerweile Bücher. „Als sich sogar ein Verlag an mich gewandt hat, wurde mir klar: Da passiert etwas ganz Großes“, sagt der 12-fache Onkel: „Ich habe eine Mission.“
Ganz so eigennützig wie Beuerbach sich beschreibt, ist er übrigens nicht. Natürlich profitieren auch die Kinder davon. Sie merken, dass weder Haare schneiden noch lesen weh tut. Im Gegenteil: Durch die Verbindung macht es ihnen sogar Spaß. Irgendwie entstehe in solchen Momenten ein besonderer Zauber. „Haare zu schneiden, ist ja etwas sehr Intimes“, erklärt Beuerbach: „Denn mal ehrlich: Wie oft fasst ein Mensch einen anderen am Kopf an?“ Gerade Kinder, die Probleme haben, sich zu konzentrieren, würden sich auf diese Weise beruhigen. Und Kinder mit einer Leseschwäche werden plötzlich mutiger und trauen sich sogar, laut vor anderen zu lesen.
„Mein Kind hat noch nie so gut gelesen“, bekommt Beuerbach oft von verblüfften Eltern zu hören. Das liegt vielleicht auch daran, dass es bei ihm keinen „pädagogischen Zeigefinger“ gibt, wie er es nennt. „Ich verbessere die Kinder niemals, wenn sie sich verlesen.“ Das nimmt den Druck. „Wenn ich merke, dass ein Kind ins Stocken gerät, schaffe ich es meistens durch nonverbale Kommunikation, die Situation aufzulösen.“ Wie genau, kann er selbst nicht erklären. Vermutlich ist die Antwort auf Beuerbachs Einfühlungsvermögen in seiner eigenen Kindheit zu finden.
„Ich hatte selbst eine Lese- und Rechtschreibschwäche. Daher weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn andere einem nichts zutrauen“, sagt er. Heute will er darum Kindern Mut machen. Denn Beuerbach hat es nicht nur geschafft, als Friseur sehr erfolgreich zu sein. Mittlerweile hat er sogar sein erstes eigenes Kinderbuch herausgebracht. „Der magische Frisör“, erschienen bei Ravensburger, handelt von einem Zauberfriseur, der vorlesende Kinder mit auf eine Abenteuerreise nimmt.
Nicht nur seine Leseschwäche hat er überwunden, heute nimmt er sich mehr Zeit für das Lesen. „Seitdem ich Vorlesefriseur bin, lebe ich bewusster“, sagt er. „Ich kann die Welt wieder mit Kinderaugen sehen und mich über die gleichen Dinge kaputtlachen wie sie. “
Lydia Wünsch